Die eiserne Mamsell

Balthasar Krems


… Schon um 1800 gab es in Deutschland einen Erfinder, der eine (Kettenstich) Nähmaschine entwickelt hat, die durch ihre grundsolide Konstruktion ein überraschend gutes und eindrucksvolles Zeugnis über das technische Verständnis des Erfinders ablegt. Dieser geniale Erfinder heißt Balthasar Krems und wurde am 27. November 1760 in Mayen (Eifel / Rheinland) geboren. Er war Strumpfwirker, doch war er dies mehr der handwerksüblichen Berufsbezeichnung nach. Zur Hauptsache fertigte er und seinesgleichen in Mayen und Umgebung Zipfelmützen und einfache Strickjacken an. Er wollte um keinen Deut mehr, doch auch nicht weniger als den umgelegten Rand der Zipfelmützen, nicht die Kopfbedeckungen deutscher Bauern und Müller, sondern - Jakobiner-Mützen, festnähen. Und für diese eine Spezialoperation, die allerdings ein eindeutiger Nähvorgang ist, wollte er statt seine oder seiner Gehilfen Hände eine Maschine verwenden, um seine Aufträge rascher bewältigen zu können.
Und er baute sie, stattete sie mit den erforderlichen Organismen zur Herstellung eines einfachen Kettenstiches mit endlosem Faden aus. Konstruierte einen fortlaufenden Stoffvorschub, einen zwangsläufig betätigten Fadenleger und eine Hakennadel (öhrspitzige Nadel!). krems

Auf einem hölzernen Gestell, das vier derbe, kräftig gespreizte Träger oder Beine besitzt, ist in etwa normaler Arbeitshöhe (76 cm) auf einer eisernen Grundplatte (25 : 28 cm) der eigentliche Apparat, d.h. der nähende Organismus angebracht. Ins Auge sticht vor allen Dingen ein merkwürdiges, über die Tischplatte frei hinausragendes Rad, dessen oberer Rand als Kronradgetriebe entwickelt ist, während seitlich aus diesem Rad ein "Dornenkranz spitzer Nadeln" herausragt. Setzt man die Maschine in Gang, so wird der Zweck des Rades bald erkennbar. Handelt es sich doch um eine eigenartige Kombination von Aufhänge- und Transportvorrichtung für das zu bearbeitende Werkstück aus dem Betrieb des Balthasar Krems: die Zipfelmütze.
Zur Herstellung der Kettenstichnaht entwickelte er einen Greifer, der es in sich hatte. Er wirkt denkbar einfach; doch so unscheinbar er sich gibt, so zweckmäßig ist seine Funktion und so verblüffend die Art seiner Betätigung von der Hauptwelle aus. Zweck dieses Greifers ist, die sich beim Zurückgehen der Nadel (durch Reibung) bildende Fadenschlinge zu fassen, aufzuweiten und solange festzuhalten, bis die Nadel erneut in die aufgeweitete Schlinge einsticht. Hat sich auf diese Weise das erste Glied der Kettenstichnaht gebildet, so folgt beim weiteren Nähen Kettenglied auf Kettenglied, die sich sozusagen zur endlosen Kette oder zur endlosen Naht fortsetzt.
An Bedeutung übertroffen werden alle bisher erwähnten konstruktiven Einzelheiten der Krems'schen Maschine jedoch noch von der schlichten Feststellung, daß auch die Mayener Nähmaschine aus der Zeit um 1810 bereits die öhrspitzige Nadel verwendete. Damit tritt Balthasar Krems in die Reihe der bedeutendsten Nähmaschinenerfinder ein. Somit war er der erste Angehörige der vielen nähenden, strickenden, wirkenden und stoffverarbeitenden Berufe, der diese Nadelform ausbildete.
Balthasar Krems blieb, bis auf einen Aufenthalt in Frankreich, dem Orte Mayen treu und heiratete am 17. November 1789 die Mayenerin Anna Maria Thier. Er war wahrscheinlich ein erfolgreicher Geschäftsmann und blieb seinem Berufe bis zuletzt treu. Am 4. Mai 1813 starb er in seiner Wohnung am Obertor. …

Quelle:

Lüth, Erich: Ein Mayener Strumpfwirker - Balthasar Krems,
Verlag Herbert Lüth, Hamburg, 1941 - (Auszüge)

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